OVG Münster: Frauenförderung in nordrhein-westfälischem Landesbeamtengesetz ist verfassungswidrig

Die seit dem 01.07.2016 im nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetz (LBG) enthaltene Vorschrift zur Frauenförderung ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Insbesondere können Beförderungsentscheidungen nicht auf die Neufassung des § 19 Abs. 6 LBG gestützt werden, weil diese den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestenauslese verletzt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster am 21.02.2017 in sechs Musterverfahren entschieden (Az.: 6 B 1109/16, 6 B 1110/16, 6 B 1378/16, 6 B 1102/16, 6 B 1152/16 und 6 B 1131/16).

Männer begehrten Eilrechtsschutz gegen Beförderungsentscheidungen

Die Verwaltungsgerichte Düsseldorf, Aachen und Arnsberg hatten ebenso wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den Eilanträgen von im Beförderungsverfahren unterlegenen Männern stattgegeben und es dem Dienstherrn vorläufig untersagt, die ausgewählten Frauen zu befördern. Die dagegen eingelegten sechs Musterbeschwerden des Landes Nordrhein-Westfalen, die Beförderungsentscheidungen der Kreispolizeibehörde Viersen, des Landeskriminalamts, der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf und der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen betreffen, hat das OVG nun zurückgewiesen.

Verstoß gegen Gebot der Bestenauslese

Zwar unterliege § 19 Abs. 6 Satz 2 LBG Nordrhein-Westfalen neuer Fassung keinen rechtlichen Bedenken, so das OVG. Nach dieser Vorschrift sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Verfassungswidrig sei jedoch § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG neuer Fassung, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation bereits auszugehen sei, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Ein so reduzierter Qualifikationsvergleich verstoße gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Dieses gebiete, dass der für das Beförderungsamt am besten geeignete Bewerber ausgewählt werde.

Frauenförderung darf bei Ermittlung der Qualifikation nicht berücksichtigt werden

Auswahlentscheidungen dürften nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber beträfen. Hierzu gehöre der Aspekt der Frauenförderung nicht, betont das OVG. Wiesen die dienstlichen Beurteilungen dasselbe Gesamturteil aus, müssten zunächst die Inhalte der aktuellen Beurteilungen und bei dann noch gegebenem Qualifikationsgleichstand sodann ältere dienstliche Beurteilungen berücksichtigt werden, weil sich aus ihnen zusätzliche Erkenntnisse ergeben könnten.

OVG: Doppelbelastung von Frauen bei dienstlichen Beurteilungen stärker gewichten

Der Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, für eine Gleichberechtigung von Frauen im Tatsächlichen zu sorgen, könne auch unter Wahrung des Prinzips der Bestenauslese verwirklicht werden, so das Gericht weiter. Der Qualifikationsvorsprung vieler Männer sei oftmals das Ergebnis einer unterbrechungslosen Berufsvita. Dieser Unterschied könne relativiert oder kompensiert werden, wenn Befähigungs- und Eignungsmerkmale (zum Beispiel Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung, Persönlichkeit, Charaktereigenschaften) bei der Abfassung dienstlicher Beurteilungen und damit bei der Bildung des Gesamturteils stärker gewichtet würden. Hierdurch könne zudem erreicht werden, so das OVG, dass besonders die Frauen bevorzugt würden, die tatsächlich Doppelbelastungen in Beruf und Familie ausgesetzt seien. Eine nur an das Geschlecht als solches anknüpfende Frauenförderung vernachlässige diesen Aspekt ohne rechtlichen Grund, heißt es in den Entscheidungen weiter.

OVG Münster, Entscheidung vom 21.02.2017 - 6 B 1109/16

Redaktion beck-aktuell, 22. Februar 2017.