OVG Münster: Kein Flüchtlingsstatus eines Syrers allein wegen Wehrdienstentziehung

Ein syrischer Asylbewerber, der sich im Heimatland dem Militärdienst entzogen hat, kann nicht allein aus diesem Grund als Flüchtling anerkannt werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Syrien eine gesetzmäßige oder extralegale Bestrafung bis hin zu Folter droht. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster mit Urteil vom 04.05.2017 entschieden (Az.: 14 A 2023/16).

Sachverhalt

Der Kläger, der weder Mitglied in bewaffneten oder politischen Organisationen noch sonst politisch aktiv war, erhielt im Juni 2014 eine Aufforderung, am 19.03.2015 seinen Wehrdienst in der syrischen Armee anzutreten. Er floh im September 2014 über die Türkei und die Balkanroute nach Deutschland und beantragte Asyl. Das Bundesamt gewährte subsidiären Schutz wegen der auf Grund des Bürgerkriegs drohenden Gefahren, versagte aber die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Verwaltungsgericht gab dem Kläger Recht.

OVG: Kläger droht keine Verfolgung

Auf die Berufung des Bundes hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfordere, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner politischen Überzeugung oder Religion eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte drohe. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts könne das nicht festgestellt werden. Es gebe keine Erkenntnisse, dass rückkehrende Asylbewerber wegen des Umstandes, dass sie sich durch Flucht dem Wehrdienst entzogen haben, vom syrischen Staat als politische Gegner angesehen und verfolgt würden.

Fluchtgrund war Furcht vor Kriegseinsatz

Die Annahme einer vom syrischen Staat zugeschriebenen gegnerischen politischen Gesinnung schon für Flüchtlinge, die allein vor den für Zivilisten drohenden Gefahren des Bürgerkriegs geflohen sind, sei lebensfremd. Die Annahme liege noch ferner für Flüchtlinge, für die der zusätzliche Fluchtgrund bestehe, sich vor den weitaus größeren Gefahren des unmittelbaren Kriegseinsatzes in Sicherheit zu bringen. Angesichts des kulturübergreifend verbreiteten Phänomens der Furcht vor einem Kriegseinsatz als Motivation zur Wehrdienstentziehung in Kriegszeiten liege es für jedermann auf der Hand, dass Flucht und Asylbegehren syrischer Wehrpflichtiger regelmäßig nichts mit politischer Opposition zum syrischen Regime, sondern allein mit - verständlicher - Furcht vor einem Kriegseinsatz zu tun hat.

Kläger ist kein Wehrdienstverweigerer

Es hieße, dem syrischen Regime ohne greifbaren Anhalt Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen werde, es könne dies nicht erkennen und schreibe deshalb jedem Wehrdienstflüchtigen eine gegnerische politische Gesinnung zu. Eine Verfolgung wegen Verweigerung des Militärdienstes im Zusammenhang mit völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen (insbesondere Kriegsverbrechen) drohe dem Kläger nicht. Zwar könne unterstellt werden, dass es durch die syrische Armee zu solchen Handlungen komme, der Kläger habe aber den Militärdienst nicht verweigert, sondern sich lediglich durch Flucht entzogen. Eine Verweigerung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG sei auch nicht bei einer hypothetischen Rückkehr zu erwarten.

OVG Münster, Urteil vom 04.05.2017 - 14 A 2023/16

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2017.