OLG Stuttgart: Rechtswidriges Befahren der Umweltzone rechtfertigt nicht Abschöpfung der ersparten Aufwendungen für Nachrüstung eines Partikelfilters

Als Vermögensvorteil, der durch das mit Geldbuße bedrohte Befahren der Umweltzone mit hierfür nicht zugelassenen Fahrzeugen erlangt wird, können nicht die ersparten Aufwendungen für die Nachrüstung eines Partikelfilters angesehen werden. Dies geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30.03.2017 hervor. Erlangt werde vielmehr ein Nutzungsvorteil durch den Einsatz eines Fahrzeugs, das in der Umweltzone nicht fahren darf. Der Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Stuttgart zurückverwiesen (Az.: 4 Rb 24 Ss 163/17).

Fahrzeug verfügte nur über rote Plakette

Der Betroffene im zugrundeliegenden Fall ist Inhaber eines Küchen- und Möbelmontageunternehmens außerhalb von Stuttgart. Am 22.02.2016 wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle beanstandet, dass einer seiner Angestellten in der – nur für Fahrzeuge mit grüner Plakette zugelassenen – Umweltzone Stuttgart mit einem Lkw Daimler Chrysler Atego fuhr, obwohl dieser nur über eine rote Plakette verfügte. Eine Ausnahmegenehmigung lag für das Fahrzeug nicht vor. Durch Nachrüstung eines Partikelfilters hätte der Betroffene aber die Voraussetzungen für die Erteilung einer grünen Plakette schaffen können.

Verfallsbetrag in Höhe von 2.500 Euro festgesetzt

Gegen den Betroffenen wurde mit Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 17.05.2016 der Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 3.739,93 Euro angeordnet. Bei der Bemessung des Betrages orientierte sich die Bußgeldbehörde an dem günstigeren von zwei im Internet eingeholten Angeboten eines Unternehmens über die Nachrüstung eines Partikelfilters (inklusive Einbaukosten, jedoch abzüglich der Mehrwertsteuer). Auf den Einspruch des Betroffenen setzte das AG Stuttgart mit Urteil vom 07.11.2016 einen Verfallsbetrag von 2.500 Euro fest, nachdem der Betroffene in der Hauptverhandlung das Angebot eines anderen Unternehmens zur Nachrüstung eines Partikelfilters für diesen Preis vorgelegt hatte.

Fahren des Lastkraftwagens nicht überall verboten

Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem OLG aufgrund der Sachrüge (vorläufig) Erfolg. Das Urteil des AG Stuttgart ist nach Auffassung des Gerichts rechtsfehlerhaft, weil der Betroffene den für die Nachrüstung eines Rußpartikelfilters ersparten Geldbetrag nicht im Sinne des § 29a Abs. 2 OWiG durch die mit der Geldbuße bedrohte Handlung erlangt hat. Jedoch hält es der Senat nicht für ausgeschlossen, dass Feststellungen getroffen werden können, auf die sich eine Verfallsanordnung in rechtsfehlerfreier Weise stützen lässt. Auszugehen sei davon, dass der in Frage stehende Ordnungswidrigkeitstatbestand das Fahren eines Lastkraftwagens mit roter Feinstaubplakette nicht überall, sondern nur innerhalb der Umweltzonen verbietet.

Nutzungsvorteil gegebenenfalls durch Schätzung zu ermitteln

Da der Betroffene sein Fahrzeug außerhalb der Umweltzonen fahren lassen dürfe, könne der erlangte Vermögensvorteil nicht schematisch mit den ersparten Aufwendungen für den Einbau eines Partikelfilters gleichgesetzt werden. Der Betroffene habe durch die mit Bußgeld bedrohte Handlung seines Fahrers somit nur den Vorteil erlangt, dass ein Fahrzeug innerhalb einer Umweltzone eingesetzt wurde, die es nicht befahren durfte. Der Senat hält es für möglich, diesen Nutzungsvorteil – gegebenenfalls durch Schätzung nach § 29a Abs. 3 OWiG – zu beziffern, zumal sich für die Anmietung vergleichbarer Lastkraftwagen ein Marktpreis ermitteln lasse.

Gericht verweist auf Schutzzweck des Verbotstatbestandes

Grundsätzlich komme zwar auch eine Abschöpfung des durch die Fahrt in der Umweltzone erwirtschafteten Erlöses in Betracht. Dies dürfte, so das Gericht, nach dem Schutzzweck des Verbotstatbestandes jedoch voraussetzen, dass ein Verfallsbetroffener in der Umweltzone ausschließlich oder weit überwiegend Beförderungs- oder Transportleistungen erbringe, wie dies beispielsweise bei Taxidienstleistungen oder Paketauslieferungen der Fall wäre. Dass vorliegend eine solche Konstellation gegeben sei, liege aufgrund des amtsgerichtlichen Urteils und des Rechtsbeschwerdevorbringens zumindest nicht nahe.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.03.2017 - 24 Ss 163/17

Redaktion beck-aktuell, 19. April 2017.