OLG Köln: Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente kann durch "Shitstorm" eingeschränkt werden

Der Hersteller eines Flohmittels für Hunde darf trotz des eigentlich geltenden Werbeverbots für verschreibungspflichtige Medikamente ausnahmsweise auf Facebook ein Posting mit werbendem Inhalt in Bezug auf das Mittel absetzen, wenn dieses zuvor von einem "Shitstorm" betroffen war und das Posting sich mit diesem auseinandersetzt und Gegenargumente zu liefern versucht. Das hat der Sechste Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes klargestellt (Urteil vom 12.01.2018, Az.:6 U 92/17, BeckRS 2018, 96).

Wettbewerber klagt gegen Werbung via Facebook

In dem Verfahren geht es um eine verschreibungspflichtige Kautablette zur Behandlung von Zecken- und Flohbefall bei Hunden. Weil in den sozialen Medien massiv negativ über das Arzneimittel diskutiert wurde, insbesondere was mögliche Nebenwirkungen anging, verbreitete die Herstellerfirma über Facebook mehrere Posts, gerichtet an die Zielgruppen "kritische Hundehalter“ und "Tiermediziner/Tiermedizinische Fachangestellte“. Ein Wettbewerber klagte auf Unterlassung, weil gemäß § 10 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente nur bei den sogenannten Fachkreisen – insbesondere Tierärzten – zulässig, Werbung in der allgemeinen Öffentlichkeit aber verboten ist.

OLG: Werbender Post zu Wirkstoff selbst bleibt verboten

Während das Landgericht Köln dem Antrag vollständig stattgegeben hatte, hat das OLG Köln auf die hiergegen gerichtete Berufung in seiner Entscheidung differenziert: Ein Post, der den Wirkstoff als "als sicheres und wirksames Mittel gegen Flöhe und Zecken“ bezeichnet, bleibe verboten, so das OLG. Zur Begründung führte der Senat im Wesentlichen aus, dass das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel in § 10 Abs. 1 HWG auch für Tiermedizin verfassungsrechtlich zulässig sei. Der gesetzliche Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Berufs- und Meinungsfreiheit der Hersteller von Tierarzneimitteln sei gerechtfertigt.

Tierarzt soll vor Einflussnahme geschützt werden

Die Norm solle den Tierarzt vor Einflussnahme schützen. Diesem solle die Entscheidung vorbehalten bleiben, ob und welche Medikamente er aufgrund seiner Expertise verschreiben möchte. Diese Möglichkeit der freien Entscheidung des Tierarztes könne durch Werbung für das Medikament in der allgemeinen Öffentlichkeit erheblich beeinflusst werden. So könnten Tierhalter aufgrund von Werbung einen Tierarzt zur Verschreibung des beworbenen Medikaments drängen oder versuchen, das Arzneimittel ohne Konsultation eines Tierarztes zu erhalten. Damit diene das Werbeverbot letztlich auch dem Tierwohl.

OLG wertet Post als produktbezogene Werbung

Der hier umstrittene Post mit Nennung des Wirkstoffes sei wegen dieser Nennung und des Logos der Herstellerin als produktbezogene Werbung einzuordnen, die über Facebook auch außerhalb der Fachkreise geschaltet worden sei. Die Werbung sei darüber hinaus auch innerhalb der Fachkreise – also gegenüber Tierärzten und ähnlichen – zu unterlassen, denn durch die besondere Herausstellung der Sicherheit des Mittels würde bei den angesprochenen Verkehrskreisen der unrichtige Eindruck erweckt, das Arzneimittel habe keine Nebenwirkungen. Der Umstand, dass das Arzneimittel behördlich zugelassen sei, genüge nicht, um es als "sicher“ zu bezeichnen, weil sich aus der Zulassung nur ein positives Verhältnis zwischen Nebenwirkungen und Behandlungserfolg ergebe, so das OLG weiter.

OLG erlaubt zweites Posting

Ein Post mit der Frage "Ist dieses verschreibungspflichtige Medikament sicher für meinen Hund?“ ist dagegen laut OLG erlaubt. Auch dieser Post sei zwar als Werbung einzuordnen. Diese sei aber bei verfassungskonformer Auslegung von § 10 HWG zulässig. Der Post werde nur für denjenigen als Werbung für ein konkretes Produkt erkennbar, der den "Shitstorm“ gegen das Produkt kenne. Facebook-Nutzer, deren Interesse nicht aufgrund einer anderweitigen Kenntnis von der Diskussion über das Arzneimittel geweckt worden sei, würden sich mit der Darstellung nicht weiter auseinandersetzen. Außerdem würden in dem Post nicht die besonderen Vorteile des Mittels beworben, sondern die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Produktes, welche gerade Gegenstand der auf Facebook geführten Diskussion sei.

Risiken durch Werbung kaum verwirklicht

Insgesamt würde daher letztlich nicht ein breiter Kreis von Tierhaltern angesprochen, sondern lediglich Personen, denen das Arzneimittel und die Diskussion hierüber bereits bekannt seien, stellte das Gericht klar. Die mit einer solchen Werbung verbundenen Risiken, denen der Gesetzgeber durch das Werbeverbot begegnen wollte, könnten sich daher bei diesem Personenkreis kaum verwirklichen. Im Ergebnis überwiege das Interesse des Herstellers, sich in die Diskussion über die Gefahren und Risiken ihres Arzneimittels einzubringen.

OLG Köln, Urteil vom 12.01.2018 - 6 U 92/17

Redaktion beck-aktuell, 23. Januar 2018.