OLG Karlsruhe spricht AfD-Funktionär nach umstrittenen Äußerungen zu Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime frei

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Sprecher des AfD-Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis vom Vorwurf der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) freigesprochen. Der AfD-Funktionär hatte sich im Internet zu Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime geäußert und sie unter anderem als eine Form zivilen Ungehorsams bezeichnet. Das OLG erachtete die Äußerungen als noch von der Meinungsfreiheit gedeckt (Beschluss vom 11.05.2017, Az.: 2 Rv 9 Ss 177/17, rechtskräftig).

Angeklagter zog Vergleich zu Gegnern der Atommüllendlager

Der Angeklagte hatte im Sommer 2015 für kurze Zeit auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis einen von "FOCUS Online" zurückgewiesenen Beitrag im Zusammenhang mit Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime eingestellt, der folgende Passage enthielt: "Es einfach zu billig, überall einen rechten Hintergrund zu vermuten, denn dann wäre die NPD längst in allen Parlamenten vertreten. Ist es nicht so, dass den Anwohnern oder Bewohnern einer Kommune alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase gesetzt wird, die sie einfach nicht haben wollen und deshalb in Form von zivilem Ungehorsam die geplanten Flüchtlingsunterkünfte einfach abfackeln? Dass dies im Osten häufiger passiert als im Westen ist auch klar: Die Ossis lassen sich nicht einfach mehr so hirnwaschen wie die Wessis und sie akzeptieren diese Bevormundung durch Obrigkeiten nach der erfolgreichen Beseitigung des Unrechtsstaates DDR einfach nicht mehr tatenlos. Es verhält sich im Prinzip genauso wie mit den Atommüllendlagern im Westen – waren die Gegner auch rechts?"

Vorinstanzen verurteilten Angeklagten zu Geldstrafe

Das Amtsgericht Pforzheim sowie das Landgericht Karlsruhe verurteilten den Angeklagten für den Artikel zu einer Geldstrafe. Nach der Bewertung des LG hat der Angeklagte mit seinem bewusst gewählten Vergleich zwischen dem "Abfackeln" von Flüchtlingsunterkünften im Osten und dem Widerstand der damaligen Atommüllendlagegegner im Westen, dem Begriff des zivilen Ungehorsams sowie mit seinem Unverständnis über die Ablehnung seines Beitrags durch "FOCUS Online" willentlich den Eindruck erweckt, dass es zu den in Form zivilen Ungehorsams verübten Brandanschlägen keine Alternative gebe und er diese Taten gutheiße.

OLG hebt Verurteilung auf

Das OLG ist dieser Interpretation nicht gefolgt. Es hat dabei mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs betont, dass § 140 StGB als Meinungsäußerungsdelikt wegen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 GG restriktiv auszulegen sei. Ein Billigen setze danach eine aus sich heraus verständliche unzweifelhafte Kundgabe der Zustimmung in der Weise voraus, dass der Äußernde sich moralisch hinter die Straftat stelle. Das sei bei einer Auseinandersetzung mit möglichen Ursachen der Bezugstat nicht der Fall, so das OLG.

Keine eindeutige Rechtfertigung von Brandanschlägen enthalten

Die Betonung des kausalen Zusammenhangs zwischen angeblich bevormundendem staatlichem Handeln und Reaktionen aus der Bevölkerung in dem – vom OLG als polemisch und erkennbar nicht faktenbasiert bewerteten – Beitrag des Angeklagten habe indes nach durchschnittlichem Verständnishorizont nicht ausschließbar einen nur beschreibenden Charakter, ohne dass damit eindeutig eine Rechtfertigung der Begehung von Brandanschlägen verbunden war, befand das OLG abschließend.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.2017 - 9 Ss 177/17

Redaktion beck-aktuell, 23. Mai 2017.