OLG Hamm: Auch Beifahrer kann Täter eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sein

Öffnet ein Beifahrer die Beifahrertür eines fahrenden Pkw, um einen neben dem Fahrzeug befindlichen Radfahrer auffahren zu lassen oder zu einem riskanten Ausweichmanöver zu zwingen, kann er wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB zu bestrafen sein. Das hat der Vierte Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in einem am 21.03.2017 veröffentlichten Fall entschieden und die Bewährungsstrafe eines verurteilten Beifahrers bestätigt (Beschluss vom 31.01.2017, Az.: 4 RVs 159/16, rechtskräftig, BeckRS 2017, 102989).

Angeklagte wegen riskanter Fahrweise eines Radfahrers zum Bremsen gezwungen

Der seinerzeit 34 Jahre alte Angeklagte war Beifahrer im Pkw Mercedes A 180 CDI des seinerzeit 21 Jahre alten Mitangeklagten. Als der Mitangeklagte anfuhr, überholte ihn ein schnell fahrender Radfahrer auf der rechten Fahrzeugseite und bog sodann knapp vor dem Mercedes nach rechts in eine Straße ein. Der Mitangeklagte, der ebenfalls gerade nach rechts abbiegen wollte, musste bremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Beifahrer zwingt Radfahrer durch Öffnen der Autotür zum Stopp

Aufgrund der riskanten Fahrweise entschlossen sich beide Angeklagten, den Fahrradfahrer "vom Rad zu holen" und ihn für sein Verhalten zur Rede zu stellen. Der Mitangeklagte beschleunigte den Mercedes, hupte, überholte den Fahrradfahrer und lenkte den Pkw sodann schräg nach rechts, um dem Radfahrer den Weg abzuschneiden. Um den Plan des Mitangeklagten zu unterstützen, öffnete der Angeklagte gleichzeitig ein Stück weit die Beifahrertür. Beide Angeklagten nahmen laut Feststellungen der Gerichte den Sturz des Radfahrers und die Gefahr seiner erheblichen Verletzung jedenfalls billigend in Kauf. Mit dem Querstellen des Fahrzeugs und dem gleichzeitigen Öffnen der Beifahrertür war der Fahrweg des Radfahrers versperrt. Dieser wurde so laut Gericht zu einer Notbremsung und einem Ausweichmanöver gezwungen.

Angeklagte lassen gestürzten Radfahrer liegen

Dabei prallte er gegen die Rückseite eines am rechten Straßenrand geparkten Pkw Opel Corsa und stürzte vom Rad. Beide Angeklagten registrierten den Sturz des Radfahrers. Der Mitangeklagte hielt den Mercedes kurz an, um sodann unter starker Beschleunigung weiterzufahren, ohne dass sich die Angeklagten um den Radfahrer kümmerten. Der Geschädigte zog sich Prellungen an der Schulter und Schürfwunden am Knie zu. An seinem Rad entstand ein Sachschaden in Höhe von circa 260 Euro. Der am geparkten Pkw entstandene Sachschaden betrug circa  330 Euro.

OLG bestätigt Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr

Das Amtsgericht Paderborn verurteilte den Angeklagten und den Mitangeklagten jeweils wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von acht Monaten. Auf die Berufung der Angeklagten bestätigte die kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn seine erstinstanzliche Verurteilung. Die Revision des Angeklagten gegen das Berufungsurteil ist erfolglos geblieben. Der Mitangeklagte hat keine Rechtsmittel eingelegt. Nach der Entscheidung des OLG Hamm ist der Angeklagte zu Recht insbesondere wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden.

Beifahrer als Mittäter eingestuft – Türöffnen als verkehrsfremder Inneneingriff

Der Angeklagte sei Mittäter, so das OLG. Dabei sei unschädlich, dass er als Beifahrer den Mercedes nicht selbst gelenkt habe. Täter der Straftat eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr könne jeder sein, der das nach dem gesetzlichen Tatbestand zu bestrafende Verhalten beherrsche. In dem hier vorliegenden Fall eines sogenannten verkehrsfremden Inneneingriffs komme es insoweit nicht auf das Führen des Fahrzeugs an, betont das OLG. Entscheidend sei vielmehr, dass das Fahrzeug nicht mehr als Mittel der Fortbewegung, sondern zur Verletzung oder Nötigung eingesetzt wurde. In diesem Sinne habe auch der Angeklagte den Mercedes eingesetzt, indem er die Beifahrertür bewusst geöffnet habe, um gemeinsam mit dem Mitangeklagten, der das Fahrzeug schräg nach rechts gelenkt habe, den geschädigten Radfahrer abzudrängen und "vom Rad zu holen".

In Hauptverhandlung getätigte Äußerung des Angeklagten belegt dessen verkehrsfeindliche Gesinnung

Angeklagter und Mitangeklagter hätten damit vorsätzlich ein Hindernis im Sinne von § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB bereitet, so das OLG weiter. Der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs sei mit einer verkehrsfeindlichen Einstellung beider Angeklagten erfolgt, denen es gezielt darauf angekommen sei, den Radfahrer vom Rad zu holen und zu verletzen. Das habe das LG zu Recht auch der in der Hauptverhandlung wiederholten Äußerung des Angeklagten entnommen, er hätte den Geschädigten Radfahrer "totgeschlagen", wenn dieser nicht gestürzt wäre.

OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2017 - 4 RVs 159/16

Redaktion beck-aktuell, 22. März 2017.