Österreichs Verkehrsminister: "CSU-Ausländer-Maut" ist europarechtswidrig

Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) wünscht sich einen sachlichen Ton in der Auseinandersetzung um die deutsche Maut. Die Aussagen seines Amtskollegen Alexander Dobrindt (CSU), dass Wien die "Ösi-Maut-Maulerei" beenden solle, führt er auch auf den deutschen Wahlkampf zurück. Sollte es keine Änderungen mehr an dem vorgestellten Maut-Modell geben, werde Österreich im Sommer 2017 eine Klage einbringen. Der Minister spricht sich im folgenden Interview mit der Deutschen Presse-Agentur in Wien aber nicht generell gegen eine deutsche Maut aus. Sie müsse nur für alle gleichermaßen gelten.

Frage: Was stört Sie an den deutschen Maut-Plänen?

Leichtfried: Es ist de facto eine Ausländer-Maut. Das zeigt schon die Entstehung der Idee. Die CSU hat das Ziel verfolgt, ausschließlich eine Maut für Ausländer einzuführen. Das ist diskriminierend und widerspricht europäischem Recht. Mich stört keinesfalls, dass ein Land eine Maut einführen möchte. Aber wir haben gemeinsame Regeln innerhalb der EU und daran haben sich alle zu halten. Auch die Großen.

Wie beurteilen Sie, dass die EU-Kommission nach den jüngsten Änderungen am Modell ihre Meinung geändert hat?

Das werfe ich der Kommission schon vor, weil es bemerkenswert ist, dass die Hüterin der Verträge sich auf solche Spielchen einlässt. Das Modell, das die Kommission zuvor als rechtswidrig qualifiziert hat, wurde nur marginal geändert und entspricht jetzt plötzlich dem Europarecht. Das ist sehr eigenartig.

Würde es sich nicht um Deutschland handeln, würde die Kommission in ihren Augen anders agieren?

Das wäre meine Vermutung. Ich sage das immer wieder: Mein Europa ist ein Europa, wo die Stärke des Rechts gilt und nicht das Recht des Stärkeren. Deshalb bin ich da sehr engagiert.

Wie wird der weitere Zeitplan Österreichs aussehen?

Ich gehe davon aus, dass die endgültige Entscheidung der Kommission noch vor dem Sommer fallen wird und dann ist es Zeit für uns, aktiv zu werden. Wir werden frühestens im Sommer die Klage einbringen. Wir haben ein Rechtsgutachten, das uns bei einer Klage berechtigte Chancen auf Erfolg einräumt. Wir werden sehen. Es wäre jedenfalls gut, wenn die Entscheidung vor Inkrafttreten der Maut fallen würde, weil es ansonsten viel komplizierter wird.

Wollen Sie durch die Klage erreichen, dass die Maut-Pläne zur Gänze gekippt werden oder sollen die Deutschen nur gleichviel wie die Österreicher zahlen?

Mein Ziel ist es, dieses konkrete Modell der CSU-Ausländer-Maut als europarechtswidrig erklären zu lassen. Ich möchte mich sonst nicht einmischen in innerdeutsche Maut-Debatten.

Der Autoclub ÖAMTC schätzt, dass rund 1,8 Millionen Österreicher von der Maut betroffen wären. Stimmt das?

Es trifft sehr viele. Es geht nicht nur um jene, die nach Deutschland auf Urlaub fahren. Viele fahren zum Beispiel auch auf der Strecke zwischen Salzburg und Tirol über die deutsche Autobahn, da das die schnellste Route ist. Das ist ein Spezifikum unseres Landes.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte in den Raum, dass auch Österreich bei Einführung der Maut vor 20 Jahren Erleichterungen für seine Autofahrer geschaffen habe, etwa bei der Pendlerpauschale.

Dieses Argument ist überhaupt nicht stichhaltig. Die Pendlerpauschale gibt es völlig unabhängig von unserem Maut-System und unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel. Auch Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln und Radfahrer können sie beantragen. Das gilt für jeden Pendler, der in Österreich Steuern zahlt, unabhängig vom Wohnort. Auch ein Münchner, der in Salzburg arbeitet, kann das beantragen. Es hat auch bei Einführung der Maut keinerlei Sprünge im System gegeben, die den Österreichern mehr Geld gebracht hätten.

Wie beurteilen Sie die Aussagen von ihrem Amtskollegen Alexander Dobrindt, dass Österreich die "Ösi-Maut-Maulerei" beenden solle?

Ich glaube, es ist nicht gut, wenn man in solchen Fragen so einen Ton wählt. Sie werden so etwas von mir nicht hören. Ich denke, man sollte auf erwachsene Art und Weise damit umgehen, dass es zwei verschiedene Rechtsstandpunkte gibt. Die österreichische rot-schwarze Koalition steht geschlossen hinter dem Vorhaben. Ich bin auch weiterhin zu Gesprächen bereit. Der Ball liegt jetzt aber bei Deutschland.

Steckt Ihrer Meinung nach Wahlkampf hinter diesem Verhalten?

Das würde ich so nicht selbst sagen, aber ich würde Ihnen auch nicht heftig widersprechen. Realistischerweise kann man schon davon ausgehen, dass im Wahlkampf mache Dinge etwas überhöht werden. Das öffentliche Interesse daran liegt meines Erachtens auch darin, dass die Maut in Deutschland selbst umstritten ist. Ich orte auch in einigen anderen Nachbarländern eine große Skepsis gegenüber diesem Maut-Modell.

Zur Person des österreichischen Verkehrsministers

Der studierte Jurist Jörg Leichtfried (49) war von 2004 bis 2015 für die Sozialdemokraten in Brüssel. Zuletzt als Delegationsleiter. Nach einer kurzen Etappe als Landesverkehrsminister in seiner Heimat Steiermark wechselte er im Mai 2016 als Ressortchef ins neue Kabinett von Kanzler Christian Kern (SPÖ).

Redaktion beck-aktuell, Matthias Röder und Sandra Walder, 10. April 2017 (dpa).