Niedersachsen will Videoaussagen vor Gericht auch für Erwachsene

Opfer schwerer Straftaten sollen nach dem Willen der niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) künftig ihre Aussagen vor Gericht auch per Direktvideo machen können. Bei der Justizministerkonferenz am 21. und 22.06.2017 will sie für die bundesweite Umsetzung einer entsprechenden Landesinitiative werben. "So ein Verfahren erspart den Opfern peinliche Auftritte im Gerichtssaal", sagte die Ministerin. Die Initiative zielt vor allem auf erwachsene Opfer von Sexualstraftaten.

Qualitativ höherwertige Aussagen und mehr Verurteilungen erhofft

In Niedersachsen wird die Befragung per Video bei Minderjährigen seit 2010 mit dem sogenannten Braunschweiger Modell praktiziert. Künftig sollen auch Erwachsene bei Gerichtsverhandlungen in einem Nebenraum vor laufender Videokamera vernommen werden können. Ziel ist auch, dass sie als Zeugen möglichen Peinigern nicht begegnen müssen oder durch die Kulisse vor Gericht eingeschüchtert werden. Die Justiz erhofft sich eine bessere Qualität der Aussagen und höhere Verurteilungsraten.

"Weisser-Ring" befürchtet verfassungrechtliche Probleme

"Das verkürzt nicht nur die Hauptverhandlung, sondern erspart auch eine zweite Traumatisierung des Opfers", sagte der Vorsitzende des niedersächsischen Richterbundes, Frank Bornemann. Der Landesvorsitzende des Opferverbandes "Weisser Ring", Rainer Bruckert, begrüßte die Initiative, sieht jedoch noch rechtliche Fragen. "Das Auftreten eines Opfers vor Gericht ist ja eine Säule unseres Rechtssystems – das aufzuweichen, dürfte auch verfassungsrechtliche Bedenken auslösen."

Redaktion beck-aktuell, 19. Juni 2017 (dpa).