LVerfG Mecklenburg-Vorpommern bestätigt: Gleichstellungsbeauftragte derzeit zwingend eine Frau

Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern (GlG M-V), nach der die Gleichstellungsbeauftragte von den weiblichen Beschäftigten der betreffenden Dienststelle aus ihrem Kreise gewählt wird, ist derzeit verfassungsgemäß. Den Gesetzgeber trifft aber eine Beobachtungspflicht, in deren Konsequenz er die angegriffene Regelung ändern muss, wenn die strukturelle Benachteiligung von Frauen entfallen ist. Dies hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 10.10.2017 entschieden und damit die Verfassungsbeschwerde eines Landesbeamten zurückgewiesen (Az.: LVerfG 7/16).

Sachverhalt

Der Landesbeamte machte mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V geltend, durch die Vorschrift daran gehindert zu sein, für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten zu kandidieren und diese zu wählen. Dies verstoße gegen das Verbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 LV. Anders als beim vorangegangenen, allein auf Frauenförderung ausgerichteten Gleichstellungsgesetz seien von den Zielen des angegriffenen Gesetzes und den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten beide Geschlechter erfasst, jedoch ohne die männlichen Beschäftigten bei der Wahl nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V einzubeziehen.

LVerfG: Angegriffene Regelung derzeit verfassungsgemäß

Das Landesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Die Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf weibliche Beschäftigte verstoße derzeit nicht gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 LV, weil sie durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG legitimiert sei. Sie diene ungeachtet der weitestgehend geschlechtsneutralen Formulierung des Gesetzes der Beseitigung strukturell bedingter Benachteiligungen von Frauen, die der Gesetzgeber nach wie vor bezogen auf den Bereich der Führungspositionen auf der Grundlage einer nachvollziehbaren und vertretbaren Einschätzung annehme. Auch wahre sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ungeachtet dessen treffe den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, in deren Konsequenz er die angegriffene Regelung gegebenenfalls später ändern müsse.

Regelung erfolgte in Abwägung mit dem Gleichberechtigungsgebot

Da es im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V nicht um eine Ungleichbehandlung aufgrund von biologischen Unterschieden gehe, lasse sie sich nur noch im Weg einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren. Insoweit komme das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG zum Tragen. Dieses berechtige den Gesetzgeber, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen. Die Art und Weise, wie der Staat seine Verpflichtung erfülle, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, oblägen der gesetzgeberischen Ausgestaltungsbefugnis.

Gesetzgeber musste nicht die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung finden

Bei der Überprüfung der angegriffenen Vorschrift sei vom Landesverfassungsgericht nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten habe. Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschrift sei danach allein, dass der Gesetzgeber im Spannungsfeld von Frauenförderung und wahlrechtlicher Benachteiligung von Männern einen schonenden Ausgleich hergestellt hat und sich die Beschränkung des Wahlrechts mithin als geeignet, erforderlich und angemessen erweist. Bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Förderbedarfs habe er seine Entscheidung an den bestehenden Nachteilen auszurichten. Dabei komme ihm in tatsächlicher Hinsicht ein Einschätzungs- und im Hinblick auf die von ihm zu treffende Entscheidung ein Gestaltungsspielraum zu.

Wahl der Gleichstellungsbeauftragten nur durch weibliche Beschäftigte nicht zu beanstanden

Die angegriffene Regelung sei jedenfalls derzeit durch den dem Gesetzgeber mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG erteilten Auftrag, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, gerechtfertigt. Anders als bei Frauen sei nicht von strukturell bedingten Benachteiligungen männlicher Beschäftigter auszugehen. Dementsprechend seien nach der Gesetzesbegründung weiterhin Frauen faktisch Hauptadressat auch der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten. Neben der strukturell bedingten Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen seien Frauen überwiegend von sexueller Belästigung und schließlich vorrangig von Familien- und Pflegeaufgaben betroffen. Davon ausgehend erweise sich der Einsatz einer weiblichen, allein von den weiblichen Beschäftigten der betreffenden Dienststelle gewählten Gleichstellungsbeauftragten, trotz der damit verbundenen Benachteiligung von Männern zur Umsetzung des Gleichstellungsauftrages als geeignet, erforderlich und auch als noch angemessen.

Gleichstellungsziele durch Wahl der Beauftragten durch alle Beschäftigte gefährdet

Zwar werde den männlichen Beschäftigten durch die Verwehrung des passiven Wahlrechts die Möglichkeit genommen, eine Schutzfunktion zu übernehmen, die nach der vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers faktisch im Wesentlichen Frauen zu Gute kommen soll. Demgegenüber würde aber die Tauglichkeit des Instruments zur Erreichung der Ziele des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG beeinträchtigt, wenn die Gleichstellungsbeauftragte, die sich aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten derzeit noch ganz überwiegend der Belange der weiblichen Beschäftigten annehmen soll, von allen Beschäftigten und nicht nur durch die Gruppe derjenigen Beschäftigten gewählt werde, deren Gleichberechtigung sichergestellt werden soll. Dies folge schon daraus, dass dann eine Einflussnahme durch die Gruppe der nach Auffassung des Gesetzgebers bevorzugten Beschäftigten möglich wäre.

Weibliche Beschäftigte haben mehr Problemnähe

Zugunsten der angegriffenen Beschränkungen des passiven und aktiven Wahlrechts sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die weiblichen Beschäftigten mit ihren Problemen bei einer von ihnen gewählten Person des gleichen Geschlechts zumindest überwiegend besser aufgehoben und vertreten fühlten. Schließlich werde die Beschränkung des passiven Wahlrechts auch dadurch gerechtfertigt, dass es gerade für die Gleichstellungsbeauftragte wichtig sei, die Verhältnisse im Einzelfall aus der Sicht des benachteiligten Geschlechts beurteilen zu können. Dies gelte schon für die Fähigkeit und Bereitschaft, spezifische Gleichstellungsdefizite zu entdecken und zu benennen, um diese abzustellen. Sie sei von Frauen eher zu erwarten, solange und soweit gerade weibliche Beschäftigte diese Defizite besonders häufig erfahren und diese das Alltagsleben von Männern nicht in gleichem Maße prägen.

Einsatz eines männlichen Gleichstellungsbeauftragten nicht geboten

Der Einsatz eines zusätzlichen männlichen Gleichstellungsbeauftragten (etwa als schonendere Alternative) sei verfassungsrechtlich nicht geboten, weil der Gesetzgeber bezogen auf männliche Beschäftigte keine geschlechtsspezifischen strukturellen Benachteiligungen habe feststellen können. Zu einer anderen Betrachtung führe auch nicht der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umstand, dass der Ansatz des Gesetzgebers, die Vorschriften gleichermaßen auf beide Geschlechter auszurichten, letztlich nicht uneingeschränkt konsequent ausgeführt worden sei. Maßgebend wäre, dass das Gleichstellungsgesetz faktisch nach wie vor in erster Linie auf Frauenförderung ausgerichtet sei.

Gesetzgeber muss weitere Entwicklung sorgfältig beobachten

Erweise sich das Gesetz jedenfalls derzeit als verfassungsgemäß, so habe der Gesetzgeber, wovon er in § 22 GlG M-V selbst ausgehe, die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Zum Ausgleich der immer noch vorhandenen strukturellen Benachteiligung von Frauen könne es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nur darum gehen, diese durch Förderung auszugleichen, bis die zur geschlechtsbedingten Benachteiligung führenden strukturellen Ursachen beseitigt und damit das Gleichstellungsziel erreicht sei. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der Gesetzgeber selbst für diese Beobachtung einen Zeitraum von fünf Jahren benannt habe.

Redaktion beck-aktuell, 10. Oktober 2017.