Kompromisse und Gräben – Große Koalition auf der Zielgeraden

Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl hat die große Koalition bei einem Spitzentreffen Kompromisse zu einigen kleineren Streitthemen zustande gebracht. In anderen Feldern konnten die Gräben zwischen Union und SPD angesichts zunehmender Wahlkampf-Zuspitzung allerdings nicht mehr überbrückt werden, etwa bei einer von der SPD gewünschten Regelung für hohe Managergehälter und der "Ehe für alle". Die Bundestags-Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Thomas Oppermann, äußerten sich am 30.03.2017 insgesamt zufrieden.

CDU begrüßt Einigung zur Bestrafung von Einbrechern

Kauder sprach von einem "schönen Erfolg" für die Union beim nächtlichen Koalitionsausschuss mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz. Der CDU-Politiker hob nach einer Sondersitzung seiner Fraktion die vereinbarten härteren Strafen für Einbrecher und die Bekämpfung von Sozialmissbrauch hervor. "Mit einem solchen Ergebnis war im Vorfeld nicht zu rechnen. Gestern hat es einen Ruck gegeben, und darüber sind wir froh."

Soziale Gerechtigkeit Wahlkampfthema der SPD

Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sagte im Deutschlandfunk, für "SPD-Themen" wie Teilzeitrecht und Begrenzung von Managergehältern habe die Union konkrete Kompromissangebote gemacht. Die SPD habe sich aber "nicht im Stande gesehen, sich diesen Vorschlägen zu nähern". Oppermann warf der Union Blockade bei wichtigen Projekten vor. Die CDU verhindere eine Solidarrente und mache einen Kompromiss beim Recht auf Rückkehr aus der Teil- in die Vollzeitbeschäftigung unmöglich, sagte er in Berlin. Zwar seien wichtige Entscheidungen getroffen worden wie das Verbot von Kinderehen und die Strafverschärfung für Wohnungseinbrüche. "Bei allen Fragen, die mehr Gerechtigkeit betreffen, stoßen wir allerdings jetzt an die ideologischen Grenzen der Union." Das Thema soziale Gerechtigkeit wird im Zentrum der Wahlkampagne des neuen SPD-Chefs Schulz stehen. Aus Unionskreisen verlautete, es sei klar, dass CDU, CSU und SPD mit den für sie wichtigen Themen ohne gute Einigungschancen lieber Wahlkampf machten.

Entwurf zum Kinderehen-Verbot wird zügig eingebracht

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will den Gesetzentwurf zum Verbot von Kinderehen schon kommende Woche ins Bundeskabinett bringen. Nach der Einigung der Partei- und Fraktionsspitzen sollen alle Ehen von Personen unter 16 Jahren grundsätzlich nichtig sein. Dies soll auch für im Ausland geschlossene Ehen gelten. Generell sollen Ehen erst im Alter von 18 Jahren geschlossen werden dürfen. "Ganz klar ist: In Deutschland darf es keine Kinderehen geben. Kinder gehören nicht an den Traualtar", sagte Maas. "Wir müssen die derzeitige Rechtslage deutlich verschärfen."

Linke: Soziale Gerechtigkeit kommt zu kurz

Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, forderte die SPD zu einer klaren Abgrenzung vom bisherigen Koalitionspartner im Wahlkampf auf. "Gestern Nacht wurde klar: Mit dieser CDU wird die SPD auch nach der Bundestagswahl kein Programm der sozialen Gerechtigkeit umsetzen können", sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur. Sie fügte hinzu: "Es war eine bittere Nacht für die Bürgerrechte und die soziale Gerechtigkeit im Land." Denn weder seien Managergehälter begrenzt noch das Recht auf Teilzeitarbeit eingeführt worden, wie von der SPD gewünscht. "Von der Gleichbehandlung für gleichgeschlechtliche Ehepartner ganz zu schweigen."

Wohnungseinruch wird zum Verbrechen

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD um Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer hatten sich in sechseinhalbstündigen Beratungen auf Kompromisse zu elf Themen geeinigt. So setzt die Koalition angesichts steigender Zahlen von Wohnungseinbrüchen auf stärkere Abschreckung. Der Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung soll mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft bestraft werden. Mit einer Einstufung als Verbrechen soll verhindert werden, dass Verfahren rasch eingestellt werden können. Außerdem soll in diesen Fällen die sogenannte Verkehrsdatenabfrage erlaubt werden, mit der es möglich werden soll zu erkennen, wo und wann sich Einbrecher ins Mobilfunknetz eingeloggt haben.

Keine Privatisierung von Autobahnen

Eine Privatisierung der geplanten Fernstraßengesellschaft des Bundes und ihrer regionalen Töchter wird ausgeschlossen. "Es wird keine Privatisierung der Bundesstraßen geben", heißt es in dem Ergebnispapier. Die Koalition will umstrittene Straßenbauprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP), also mit Beteiligung von Investoren, nur bei Einzelprojekten erlauben. "Das bedeutet, dass ÖPP im Gesamtnetz und bei Teilnetzen ausgeschlossen ist."

Nahles mit Plänen zu Recht auf befristete Teilzeit gescheitert

Nicht geeinigt haben sich Union und SPD auf die Pläne von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für ein Recht auf zeitlich befristete Teilzeit. Die vorgesehene Schwelle, nach der der Anspruch auf befristete Teilzeitarbeit und Rückkehr in Vollzeit ab einer Betriebsgröße von 15 Beschäftigten gelten soll, wollte die Union nicht akzeptieren. Sie will eine Grenze im dreistelligen Bereich.

Keine Einigung bei Managergehältern und Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln

Keine Einigung gab es auch bei Managergehältern. Die SPD will erreichen, dass Unternehmen Managergehälter nur bis 500.000 Euro im Jahr steuerlich absetzen können. CDU und CSU bestehen auf der Umsetzung des Koalitionsvertrags, nach dem die Hauptversammlungen auf Vorschlag des Aufsichtsrats über die Höhe der Gehälter entscheiden sollen. Der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gesetzlich zu verbieten, fand indes bei der SPD keinen Anklang. Auch das CDU-geführte Finanzministerium äußerte Bedenken.

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2017 (dpa).