Justizminister beklagt Richtermangel: Rechtsstaat nicht kaputtsparen

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wirft den Ländern vor, viel zu wenig Richter einzustellen und damit die Justiz zu behindern. "Der Richtermangel in den Ländern kann zur Gefahr für die innere Sicherheit werden", schreibt Maas in einem Gastbeitrag für die "Wirtschaftswoche". Es nütze wenig, beispielsweise eines der schärfsten Terrorismusstrafrechte zu haben, "wenn es weiterhin in der Justiz der Länder an Personal fehlt, um Täter anzuklagen und abzuurteilen". Wenn die Länder die Justizhoheit behalten wollten, müssten sie ihre Gerichte und Staatsanwaltschaften personell, finanziell und technisch ordentlich ausstatten.

2.000 Richter und Staatsanwälte fehlen

Die Länderminister sollten "ihre Zurückhaltung aufgeben, das Visier runterklappen und in den Haushaltsverhandlungen endlich für mehr Geld und Planstellen kämpfen", riet Maas seinen Kollegen. Weiter schrieb er: "Wir dürfen unseren Rechtsstaat nicht kaputtsparen." Der SPD-Minister verweist laut dem Bericht auf Berechnungen des Richterbunds, denen zufolge rund 2.000 Richter und Staatsanwälte fehlen.

Absolventenzahlen über die Jahre gesunken

In den Ländern waren Ende 2015 nach einer Erhebung des Richterbunds rund 28.000 Richter und Staatsanwälte beschäftigt. In den nächsten 15 Jahren gehen knapp 12.000 in den Ruhestand. Die Länder haben schon jetzt teils massive Schwierigkeiten, geeigneten Nachwuchs zu finden – auch weil die Absolventenzahlen über die Jahre gesunken sind und gute Bewerber oft Jobs in der Privatwirtschaft bevorzugen.

Richterbund fordert mehr politischen Druck

Der Deutsche Richterbund (DRB) springt Maas bei. "Maas bringt die prekäre Lage der Strafjustiz auf den Punkt", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der WirtschaftsWoche. Der Richterbund sagte dem Magazin, der Bund müsse den politischen Druck auf die Länder jetzt deutlich erhöhen, damit diese endlich ihre Hausaufgaben machten. "Es ist niemandem mehr zu vermitteln, dass Berlin Sicherheitspaket um Sicherheitspaket schnürt, ein effektiver Vollzug der Gesetze aber an fehlendem Personal in den Ländern scheitert", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. "Die Strafjustiz entwickelt sich im Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen, Cybercrime und Alltagskriminalität mehr und mehr zum Nadelöhr." So müsse die Justiz regelmäßig dringend Tatverdächtige auf freien Fuß setzen, weil Strafverfahren zu lange dauerten.

Länder weisen Kritik zurück

Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) wies Kritik an der Personalausstattung zurück. In Hamburg etwa sei seit 2015 in der Justiz der größten Personalaufbau seit 20 Jahren geleistet worden. Ein Sprecher des Justizministeriums in Kiel erklärte, Schleswig-Holsteins Justiz sei personell gut aufgestellt und habe auch keine Probleme, Nachwuchs zu gewinnen. Auch Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) wies die Kritik zurück.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2017 (dpa).