EuGH: Mitgliedstaatsübergreifendes Steuerinformationsersuchen nur auf “voraussichtliche Erheblichkeit“ überprüfbar

Die Gerichte eines Mitgliedstaats dürfen kontrollieren, ob das Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats um Steuerinformationen rechtmäßig ist. Die Kontrolle ist aber auf die Prüfung beschränkt, ob den erbetenen Informationen die voraussichtliche Erheblichkeit für die betreffende Steuerprüfung nicht offenkundig völlig fehlt. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 16.05.2017 entschieden (Az.: C-682/15).

Sachverhalt

Die französische Steuerverwaltung prüfte die Steuerangelegenheiten einer französischen Gesellschaft (Cofima) und wendete sich an die luxemburgische Steuerverwaltung, um Informationen über deren Muttergesellschaft (Berlioz) zu erhalten. Berlioz kam der Aufforderung der luxemburgischen Steuerverwaltung zur Auskunft nach, hielt aber die Namen und Anschriften ihrer Gesellschafter sowie der Höhe und der Beteiligungsquote der von den einzelnen Gesellschaftern jeweils gehaltenen Kapitalanteile zurück, weil diese für die Nachprüfung voraussichtlich nicht erheblich seien. Als die luxemburgische Steuerbehörde ein Bußgeld verhängte, klagte Berlioz gegen die Anordnung und die Geldbuße. Das Gericht setzte zwar die Geldbuße herab, sah sich aber außerstande, die Anordnung zu überprüfen. Das von Berlioz angerufene Berufungsgericht bat den Gerichtshof um Klärung, ob es die Begründetheit der Anordnung beziehungsweise des zugrunde liegenden französischen Informationsersuchens prüfen darf.

EuGH: Gericht darf Informationsersuchen auf "voraussichtliche Erheblichkeit" überprüfen

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das in der Grundrechte-Charta festgelegte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf dem Gericht erlaubt, die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung zu prüfen. Die Steuerbehörden eines Mitgliedstaats dürften im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden eines anderen Mitgliedstaats nur “voraussichtlich erhebliche“ Informationen mitteilen und sich darüber hinaus nicht an Beweisausforschungen beteiligen. Das Gericht des ersuchten Mitgliedstaats sei insofern berechtigt, die Rechtmäßigkeit des Ersuchens zu kontrollieren. Es dürfe jedoch nur prüfen, ob sich die Anordnung auf ein hinreichend begründetes Informationsersuchen stützt, das Informationen betrifft, denen für die betreffende Steuerprüfung die voraussichtliche Erheblichkeit nicht offenkundig völlig zu fehlen scheint.

Gericht muss Zugang zum Informationsersuchen erhalten

Das Gericht müsse Zugang zu dem Informationsersuchen und zu allen ergänzenden Informationen haben, die die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats vom ersuchenden Mitgliedstaat erhalten haben können, damit es seine Kontrollaufgabe wahrnehmen könne, so der EuGH weiter. Dem Verwaltungsunterworfenen könne jedoch entgegengehalten werden, dass das Informationsersuchen vertraulich sei und er daher kein Recht auf Zugang zu dem gesamten Ersuchen habe. Damit seine Sache in einem fairen Verfahren verhandelt werden könne, müsse er jedoch Zugang zu den wesentlichen Informationen des Informationsersuchens (nämlich der Identität des betroffenen Steuerpflichtigen und dem steuerlichen Zweck der erbetenen Informationen) haben, wobei das Gericht ihm bestimmte weitere Informationen übermitteln dürfe, wenn es der Ansicht ist, dass diese wesentlichen Informationen nicht genügten.

EuGH, Urteil vom 16.05.2017 - C-682/15

Redaktion beck-aktuell, 16. Mai 2017.