EuGH-Generalanwalt: Kein Verbrauchergerichtsstand in Österreich für "Sammelklage" Schrems gegen Facebook

Der Datenschutzaktivist Maximilian Schrems kann sich wohl hinsichtlich der privaten Nutzung seines eigenen Facebook-Kontos auf seine Verbrauchereigenschaft stützen, um Facebook Ireland vor den österreichischen Gerichten zu verklagen. Diese Ansicht vertritt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Michal Bobek in seinen Schlussanträgen vom 14.11.2017. Allerdings könne Schrems nicht auch Ansprüche, die ihm andere Facebook-Nutzer abgetreten hätten, in Österreich geltend machen (Az.: C-498/16).

Schrems klagt in Österreich gegen Facebook Ireland

Der österreichische Datenschutzaktivist Maximilian Schrems klagt vor den österreichischen Gerichten gegen Facebook Ireland. Dabei macht er eigene Ansprüche sowie Ansprüche aus abgetretenem Recht von sieben anderen Facebook-Nutzern aus Österreich, Deutschland und Indien geltend. Schrems begehrt unter anderem die Ungültigerklärung bestimmter Vertragsklauseln, die Unterlassung der Datenverwendung sowie Schadenersatz.

Facebook bestreitet Zuständigkeit der österreichischen Gerichte 

Facebook Ireland bestreitet die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Schrems könne sich nicht auf seine Verbrauchereigenschaft berufen, die es nach EU-Recht ermöglicht, ein ausländisches Unternehmen am eigenen Wohnsitz zu verklagen. Denn er habe seine Verbrauchereigenschaft jedenfalls inzwischen verloren. Auch die Einrichtung seiner Facebook-Seite zeige, dass er Facebook beruflich nutze. Ferner sei der Verbrauchergerichtsstand strikt personengebunden und gelte nicht für abgetretene Ansprüche, so Facebook. Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren angerufen und um Klarstellung gebeten, ob der Verbrauchergerichtsstand bei diesen beiden Fallgestaltungen (eigene Ansprüche und Ansprüche aus abgetretenem Recht) zur Anwendung kommt.

Privat genutzter Facebook-Account 

Laut Vorlagegericht verwendet Schrems Facebook seit 2008. Dabei nutzte er Facebook zunächst ausschließlich privat. Seit 2011 nutzt er neben seinem Facebook-Account auch eine Facebook-Seite, die Informationen über seine diversen Aktivitäten rund um Datenschutz und Facebook enthält. Schrems veröffentlichte zwei Bücher zu Facebook, hielt (teilweise entgeltlich) Vorträge, registrierte zahlreiche Websites (Blogs, Onlinepetitionen, Crowdfunding für Verfahren gegen Facebook Ireland) und gründete den Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz. Er hat ein Team von zehn, im Kern fünf, Personen, die ihn bei "seiner Kampagne gegen Facebook" unterstützen.

EuGH-Generalanwalt: Schrems wohl als Verbraucher in Bezug auf privat genutztes Facebook-Konto einzustufen 

Nach Ansicht des Generalanwalts Michal Bobek führen Tätigkeiten wie Veröffentlichungen, das Halten von Vorträgen, der Betrieb von Websites oder die Sammlung von Spenden zur Durchsetzung von Ansprüchen nicht zum Verlust der Verbrauchereigenschaft in Bezug auf Ansprüche im Zusammenhang mit dem eigenen, privat genutzten Facebook-Konto. Daher könne Schrems im Hinblick auf seine eigenen Ansprüche aufgrund der privaten Nutzung seines eigenen Facebook-Kontos offenbar als Verbraucher angesehen werden. Es obliege aber dem Obersten Gerichtshof, dies zu überprüfen (insbesondere die Einstufung der Facebook-Seite im Fall der Annahme eines einheitlichen Vertrags mit dem Facebook-Konto).

Ursprünglicher Vertragszweck für Verbrauchereigenschaft maßgeblich

Laut Bobek hängt die Verbrauchereigenschaft im Allgemeinen davon ab, welche Natur und welches Ziel der Vertrag zum Zeitpunkt seines Abschlusses hatte. Eine spätere Nutzungsänderung könne nur in außergewöhnlichen Fällen Berücksichtigung finden. Sei der Vertrag doppelter Natur (privat und beruflich), könne die Verbrauchereigenschaft erhalten bleiben, sofern der berufliche "Gehalt" als marginal zu werten sei. Wissen, Erfahrung, ziviles Engagement oder die Tatsache, dass aufgrund von Rechtsstreitigkeiten ein gewisses Ansehen erworben worden sei, stünden für sich genommen der Einstufung als Verbraucher nicht entgegen.

Aber kein Verbrauchergerichtsstand für "Sammelklage" gegeben

Bobek ist aber der Auffassung, dass Schrems Facebook nicht auch wegen der Ansprüche, die ihm die anderen Facebook-Nutzer abgetreten haben, in Österreich verklagen könne. Denn der Verbrauchergerichtsstand sei nach den Regelungen der Brüssel-I-Verordnung stets auf die konkreten Parteien des speziellen Vertrags beschränkt. Damit wäre es nicht vereinbar, einem Verbraucher zu gestatten, den Verbrauchergerichtsstand auch für Ansprüche zu nutzen, die ihm von anderen Verbrauchern ausschließlich zur gerichtlichen Geltendmachung abgetreten worden seien.

"Attraktive" Gerichte könnten anderenfalls überlastet werden

Eine solche Ausdehnung würde es insbesondere ermöglichen, Klagen an einem Gerichtsstand zu konzentrieren und für Sammelklagen den günstigeren Gerichtsstand zu wählen, indem alle Ansprüche an einen Verbraucher mit Wohnsitz an diesem Gerichtsstand abgetreten würden. Dies könnte eine schrankenlose gezielte Abtretung an Verbraucher an einem beliebigen Gerichtsstand mit günstigerer Rechtsprechung, geringeren Kosten oder großzügigerer Prozesskostenhilfe zur Folge haben und zur Überlastung einiger Gerichte führen.

Einführung von Sammelklagen Sache des EU-Gesetzgebers

Bobek hält Sammelklagen zwar für ein wirksames Instrument zum effektiven gerichtlichen Verbraucherschutz. Würden sie gut konzipiert und umgesetzt, könnten sie auch weitere systemische Vorteile für das Justizsystem wie eine geringere Notwendigkeit von Parallelverfahren haben. Es sei jedoch nicht Aufgabe des EuGH, solche Sammelklagen für Verbrauchersachen zu schaffen, sondern obliege gegebenenfalls dem Unionsgesetzgeber.

EuGH, Schlussanträge vom 14.11.2017 - C-498/16

Redaktion beck-aktuell, 14. November 2017.