BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen geänderte Bewertung von Rentenbeitragszeiten in der DDR gescheitert

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die geänderte Bewertung von in der DDR zurückgelegten rentenversicherungsrechtlichen Zeiten von Personen, die vor dem 18.05.1990 aus der DDR in die damalige Bundesrepublik übersiedelten, durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) und das RÜG-Ergänzungsgesetz richtete. Der davon benachteiligte Beschwerdeführer habe sich weder hinreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt, die der geänderten Rentenberechnung zugrunde liege, noch einen Verstoß gegen Grundrechte schlüssig dargelegt (Beschluss vom 13.12.2016, Az.: 1 BvR 713/13).

Anwendbarkeit des Fremdrentengesetzes auf in der DDR zurückgelegte Beitragszeiten schrittweise eingeschränkt

Übersiedler aus der DDR wurden durch das Fremdrentengesetz (FRG) zunächst so gestellt, als hätten sie ihre rentenrechtlichen Beitragszeiten in der Bundesrepublik erbracht, weil sie bis zum Fall der Mauer infolge ihrer Flucht den für sie zuständigen Rentenversicherungsträger der DDR nicht mehr in Anspruch nehmen konnten. Nach der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zum 01.06.1990 galt das Fremdrentengesetz nur noch für in der DDR zurückgelegte Beschäftigungszeiten von "Bestandsübersiedlern", die vor dem 18.05.1990 in die Bundesrepublik übergesiedelt waren. Nach der Wiedervereinigung sah das im Einigungsvertrag vorgesehene Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25.07.1991 eine Anwendbarkeit des FRG nur noch übergangsweise für Versicherte mit einem Rentenbeginn vor dem 01.01.1996 vor. Zur Verwaltungsvereinfachung wurde diese Regelung anschließend noch dahingehend geändert, dass die Vertrauensschutzregelung (§ 259a SGB VI) nicht mehr auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Rentenbeginns bezogen ist, sondern für alle Versicherten gilt, die vor dem 01.01.1937 geboren sind und damit bei Inkrafttreten des RÜG bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatten, während für die jüngeren Versicherten die allgemeinen Regeln zur Rentenüberleitung maßgeblich sind.

Auswirkungen auf Höhe der Rente

Diese Rentenberechnung kann zu einer geringeren Rente als bei Anwendung des FRG führen, weil mit dem FRG Übersiedlern für ihre in der DDR zurückgelegte Erwerbsbiographie Rentenansprüche entsprechend dem westdeutschen Rentensystem gutgeschrieben wurden, nunmehr aber auf die in der DDR tatsächlich in die Rentenversicherung eingezahlten – unter Umständen geringeren – Beiträge abgestellt wird. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendete sich der von diesen Regelungen nachteilig betroffene Beschwerdeführer gegen Rentenbescheide, die ihn hinsichtlich der Feststellung seiner Versicherungszeit im Beitrittsgebiet belasten, und die dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen. Er rügte im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.

BVerfG: FRG begründet mangels Eigenleistung keine eigentumsgeschützten Rechtspositionen

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Art. 14 Abs. 1 GG schütze Rentenansprüche und auch Rentenanwartschaften, soweit diese im Geltungsbereich des Grundgesetzes erworben worden seien. Hingegen unterlägen durch das FRG begründete Rentenanwartschaften nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG, wenn sie ausschließlich auf Beitrags- und Beschäftigungszeiten beruhten, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt worden seien. Eigentumsgeschützte Rechtspositionen würden mangels Eigenleistung der Berechtigten durch das FRG nicht begründet.

DDR-Rentenanwartschaften genießen nur im Rahmen des RÜG Eigentumsschutz

In der DDR begründete und im Zeitpunkt ihres Beitritts zur Bundesrepublik bestehende Rentenanwartschaften nähmen zwar als Rechtspositionen, die der Einigungsvertrag grundsätzlich anerkannt habe, am Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG teil, so das BVerfG weiter. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz komme den Rentenanwartschaften aber nur in der Form zu, die sie aufgrund des Vertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands erhalten haben. Aus Art. 30 Abs. 5 Satz 1 des Einigungsvertrages ergibt sich, dass die Einzelheiten der Überleitung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet in einem Bundesgesetz – das RÜG – geregelt werden.

Eigentumsschutz rentenrechtlicher Gesamtrechtspositionen zwar bislang nicht geklärt

Laut BVerfG ist zwar bislang die im hiesigen Verfahren von den Fachgerichten verneinte Frage nicht entschieden, ob die von den Berechtigten aus dem FRG abgeleiteten Anwartschaften dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG dann unterliegen, wenn sie sich zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Gesamtrechtsposition verbinden.

Verfassungsbeschwerde aber nicht hinreichend begründet

Das BVerfG moniert aber, dass die Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend bergründet sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers setze sich nicht genügend damit auseinander, dass sich weder aus dem RÜG noch aus dem RÜG-Ergänzungsgesetz eine Pflicht zur Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG über den Anwendungsbereich des § 259a SGB VI hinaus ergibt. Außerdem enthalte es keine ins Einzelne gehende argumentative Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen und ihren konkreten Begründungen.

Unzulässige unechte Rückwirkung ebenfalls nicht ausreichend dargelegt

Auch lege der Beschwerdeführer nicht substantiiert dar, dass die mit der Änderung der Bewertung der in der DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten verbundene unechte Rückwirkung ausnahmsweise unzulässig wäre, so das BVerfG. Der Beschwerdeführer setze sich nicht hinreichend mit der Frage der Schutzwürdigkeit seines Vertrauens im Hinblick auf die fortwährende Bewertung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz auseinander. Allein das Vertrauen in den Fortbestand einer gesetzlichen Lage sei nicht schutzwürdig.

Allgemeiner Gleichheitssatz: Keine nachvollziehbare Vergleichsgruppenbildung 

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich laut BVerfG dem Vorbringen des Beschwerdeführers ebenfalls nicht hinreichend entnehmen. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde lasse indes bereits eine nachvollziehbare Vergleichsgruppenbildung nicht erkennen.

BVerfG, Beschluss vom 13.12.2016 - 1 BvR 713/13

Redaktion beck-aktuell, 18. Januar 2017.