BVerfG: Über Eintragung einer spanischen Schnellverurteilung in Bundeszentralregister ist neu zu entscheiden

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23.01.2017 einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die Eintragung einer spanischen Schnellverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung in das Bundeszentralregister richtete. Das BVerfG sah den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verletzt, weil das Ausgangsgericht die zur Verurteilung führenden Umstände nicht ausreichend aufgeklärt und das Vorbringen des Beschwerdeführers, das in das Bundeszentralregister eingetragene ausländische Strafurteil sei unter Verstoß gegen verfahrensrechtliche Mindeststandards zustande gekommen, nicht ausreichend geprüft habe (Az.: 2 BvR 2584/12).

Beschwerdeführer rügte Eintragung einer spanischen Schnellverurteilung ins Bundeszentralregister

Der Beschwerdeführer wurde im Dezember 2010 von einem spanischen Strafgericht zu einer Geldstrafe sowie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde in Deutschland in das Bundeszentralregister eingetragen, wovon der Beschwerdeführer erst nach Beantragung eines Führungszeugnisses Kenntnis erlangte. Gegen diese Eintragung machte der Beschwerdeführer erfolglos Einwendungen beim Bundesamt für Justiz und beim Bundesjustizministerium geltend, wobei er schwere rechtsstaatliche Mängel des zu seiner Verurteilung führenden spanischen Schnellverfahrens rügte. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb ebenfalls erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und die Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). 

BVerfG: Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verletzt

Das BVerfG hat den Beschluss des Kammergerichts, wonach die Löschung der Eintragung zu Recht abgelehnt worden sei, aufgehoben und das Verfahren zur neuen Entscheidung zurückverwiesen. Der Beschwerdeführer sei in seinem Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verletzt. Soweit ein Gericht dazu aufgerufen sei, die Entscheidung über eine Eintragung ins Bundeszentralregister auf ihre Vereinbarkeit mit den einschlägigen grundrechtlichen Mindeststandards hin zu überprüfen, dürfe es seinen Prüfungsauftrag nicht dadurch verengen, dass es die Feststellungen des Urteils auch dann ohne weiteres übernimmt, wenn der Vortrag des Antragstellers konkret Anlass zur Prüfung gegeben hätte.

KG hätte Verurteilung wegen substantiierten Vortrags näher aufklären müssen

Laut BVerfG wird der angegriffene Beschluss diesen Anforderungen nicht gerecht. Ein Verstoß gegen das Gebot zureichender Sachverhaltsermittlung und damit eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG liege zunächst darin, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Beweiserhebung mit Blick auf das zu der Verurteilung führende Verfahren unterlassen wurde. Der Beschwerdeführer habe in folgerichtiger, widerspruchsfreier, konkreter und detailreicher Schilderung dargelegt, inwiefern das Urteil von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche, und dafür auch Beweis angeboten. Vor diesem Hintergrund wäre eine Beweiserhebung veranlasst gewesen, weil die zu beweisenden Tatsachen für die Entscheidung von Bedeutung gewesen wären und die angegebenen Beweismittel geeignet und überdies auch erreichbar waren. Auch wenn das Ausgangsgericht grundsätzlich von der Richtigkeit des spanischen Strafurteils habe ausgehen können, hätte es der substantiierte Vortrag erfordert, die angebotenen Beweise zu erheben. Aus der beschriebenen Erschütterung der Vermutungswirkung durch den Vortrag des Beschwerdeführers und seine Beweisangebote hätte das Ausgangsgericht Konsequenzen ziehen und eine weitere Sachverhaltsaufklärung vornehmen müssen. Der pauschale Hinweis auf die Vermutung der Richtigkeit des spanischen Urteils genügt den aufgezeigten Anforderungen an eine zureichende Sachverhaltsaufklärung hingegen nicht.

KG hätte Ausgestaltung und Praxis des Schnellverfahrens prüfen müssen

Dem BVerfG zufolge hat das Ausgangsgericht den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG auch dadurch verletzt, dass es der vom Beschwerdeführer angeführten Kritik an der rechtlichen Ausgestaltung und praktischen Handhabung des spanischen Schnellverfahrens nicht nachgegangen ist und eine Aufklärung über die formal-rechtliche Konzeption sowie die tatsächliche Handhabung des Schnellverfahrens unterlassen hat. Das KG habe zudem den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausformung als Willkürverbot verletzt, da die Würdigung des Vortrags des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar ist.

BVerfG, Beschluss vom 23.01.2017 - 2 BvR 2584/12

Redaktion beck-aktuell, 17. Februar 2017.