Bundestag hebt Homosexuellen-Urteile auf

Tausende homosexuelle Justizopfer werden Jahrzehnte nach ihrer Verurteilung rehabilitiert. Der Bundestag verabschiedete am 22.06.2017 einstimmig ein Gesetz, mit dem die damaligen Urteile aufgehoben werden. Als finanzielle Entschädigung sind pro Person pauschal 3.000 Euro vorgesehen sowie 1.500 Euro für jedes angefangene Jahr im Gefängnis. Bevor diese Regelung in Kraft tritt, muss noch der Bundesrat zustimmen. Die Unterstützung der Länderkammer gilt allerdings als sicher.

Maximal 5.000 Anträge auf Entschädigung erwartet

Der frühere § 175 StGB stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Die Bundesrepublik hatte diese durch die Nationalsozialisten verschärfte Regelung übernommen. Im Jahr 1969 wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 endgültig abgeschafft. Auf seiner Basis wurden Schätzungen zufolge 64.000 Menschen verurteilt. Wie viele Betroffene noch leben, ist nicht sicher. Das Bundesjustizministerium rechnet mit maximal 5.000 Anträgen auf Entschädigung.

Streit um Altersgrenze

Für Kritik sorgte allerdings eine kurzfristig vorgenommene Änderung am Gesetzentwurf. Danach sind Betroffene von der Rehabilitierung ausgeschlossen, wenn ihre Urteile auf sexuellen Handlungen mit unter 16-Jährigen basieren. Die ursprünglich vorgesehene Altersgrenze von 14 Jahren war auf Druck der CDU/CSU-Fraktion noch einmal angehoben worden. Nicht nur die Opposition kritisierte diese Änderung, sondern auch der Koalitionspartner SPD. Die einzige Alternative wäre nach Darstellung der Sozialdemokraten allerdings ein kompletter Verzicht auf die angepeilte Rehabilitierung gewesen.

Lesben- und Schwulenverband moniert nachträgliche Änderung

Während die Union erklärte, durch die Anhebung der Altersgrenze sei eine potenzielle verfassungsrechtliche Schwachstelle geschlossen worden, sprach der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner von "neuem Unrecht". Bei einvernehmlichem, heterosexuellem Geschlechtsverkehr sehe das Gesetz schließlich schon bei 14-Jährigen Straffreiheit vor. Auch der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisierte die nachträgliche Änderung. Trotzdem sieht LSVD-Vorstandsmitglied Helmut Metzner in dem Parlamentsbeschluss einen historischen Schritt: "Nach langen Jahren der Ignoranz wird einem Teil der Opfer staatlicher Verfolgung ihre Würde zurückgegeben."

Redaktion beck-aktuell, 23. Juni 2017 (dpa).