BGH: Reisender trägt Risiko für Mitführen geeigneter Ausweispapiere

Im Verhältnis zum Reiseveranstalter fällt die Mitführung für die Reise geeigneter Ausweispapiere in die Risikosphäre des Reisenden, ohne dass es darauf ankommt, aus welchen Gründen die Pässe der Reisenden nicht als ausreichend angesehen werden. Der Reisende könne in einem solchen Fall den Reisevertrag nicht wegen höherer Gewalt kündigen, stellt der Bundesgerichtshof klar (Urteil vom 16.05.2017, Az.: X ZR 142/15).

Abflug wegen ungeeigneter Ausweispapiere verweigert

Die Klägerin buchte bei der beklagten Reiseveranstalterin für ihren Ehemann, ihre Tochter und sich selbst eine Pauschalreise vom 19.05.2013 bis 01.06.2013 in die USA. Vor Reiseantritt beantragte sie für sich und ihre Tochter bei der Gemeinde ihres Wohnsitzes, die sie im Rechtsstreit als Streithelferin unterstützt, neue Reisepässe, die ausgestellt und übergeben wurden. Die Bundesdruckerei hatte jedoch diese beiden sowie 13 weitere an die Streithelferin versandten Ausweisdokumente wegen Nichtvorliegens einer Eingangsbestätigung als abhandengekommen gemeldet. Dies führte wiederum dazu, dass der Klägerin und ihrer Tochter am Abreisetag der Abflug in die Vereinigten Staaten verweigert wurde. Die Beklagte zahlte einen Teil des Reisepreises zurück. Die Klägerin beansprucht die Rückzahlung auch des restlichen Reisepreises. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.

BGH verneint Vorliegen höherer Gewalt

Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass keine höhere Gewalt im Sinne des § 651j Abs. 1 BGB vorgelegen habe. Nach dieser Vorschrift kann der Reisevertrag sowohl vom Reiseveranstalter als auch vom Reisenden gekündigt werden, wenn die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. Unter höherer Gewalt wird dabei laut BGH ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis verstanden.

Ursache darf weder in Sphäre des Reiseveranstalters noch des Reisenden fallen

Erfasst seien etwa Naturkatastrophen oder allgemeine staatlich angeordnete Reisebeschränkungen, so der BGH. Es handele sich um einen besonderen Fall der Störung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, deren Ursache keiner Vertragspartei zugeordnet werden könne und die daher beiden Vertragsparteien die Möglichkeit eröffne, sich von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen. Das Erfordernis des fehlenden betrieblichen Zusammenhangs bringe dabei für den typischen Fall, dass das nicht abwendbare Ereignis die Betriebstätigkeit des Reiseveranstalters und damit die Durchführung der Pauschalreise selbst stört oder verhindert, zum Ausdruck, dass die Ursache nicht in der (Risiko-)Sphäre des Reiseveranstalters liegen dürfe. Entsprechendes gilt laut BGH aber auch für die andere Vertragspartei: Höhere Gewalt liege ebenso wenig vor, wenn das Ereignis der Sphäre des Reisenden zuzurechnen sei.

Mitführen geeigneter Ausweispapiere gehört zu Risikosphäre des Reisenden

So verhielt es sich laut BGH-Richter im konkreten Fall. Im Verhältnis zum Reiseveranstalter falle die Mitführung für die Reise geeigneter Ausweispapiere in die Risikosphäre des Reisenden, ohne dass es darauf ankäme, aus welchen Gründen die Pässe der Reisenden nicht als ausreichend angesehen wurden. Maßgeblich sei allein, so der BGH, dass keine allgemeine Beschränkung der Reisemöglichkeiten – wie etwa ein kurzfristig eingeführtes Visumserfordernis – vorlag, die jeden anderen Reisenden ebenso getroffen hätte.

BGH, Urteil vom 16.05.2017 - X ZR 142/15

Redaktion beck-aktuell, 17. Mai 2017.