BGH lehnt Prospektfehler im Zusammenhang mit zweitem Börsengang der Telekom ab

Im Musterverfahren um die (Un-)Richtigkeit des anlässlich des sogenannten zweiten Börsengangs der Deutschen Telekom herausgegebenen Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekts hat das Unternehmen jetzt auch vor dem Bundesgerichtshof recht bekommen. Wie schon das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verneinte auch der Elfte Zivilsenat das Vorliegen eines Prospektfehlers (Beschluss vom 22.11.2016, Az.: XI ZB 9/13).

Aktienkurs ab 2001 stark gefallen

Gegenstand des – im Zusammenhang mit den massenhaft erhobenen Klagen von Aktionären der Deutschen Telekom – neu geschaffenen Kapitalanleger-Musterverfahrens können nur verallgemeinerungsfähige Vorfragen zu den einzelnen Aktionärsklagen sein. Auf Grundlage des Prospekts wurden im Jahr 1999 unter anderem 250 Millionen neue Stückaktien aus einer im Juni 1999 erfolgten Kapitalerhöhung zum Börsenhandel zugelassen und von der Deutschen Telekom öffentlich zum Verkauf angeboten. Zudem diente der Prospekt dazu, über 1,7 Milliarden Aktien aus dem Bestand der Bundesrepublik Deutschland und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zum Börsenhandel zuzulassen. Nachdem der Kurs der Aktien stark gefallen war, kam es ab dem Jahr 2001 zu zahlreichen Klagen gegen die Deutsche Telekom, die Bundesrepublik Deutschland, die KfW und einen Teil der Konsortialbanken.

Musterentscheid des OLG von 2013: Kein Prospektfehler festgestellt

Im Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main haben der Musterkläger und die auf seiner Seite Beigeladenen eine Vielzahl von Prospektfehlern geltend gemacht. Die Musterbeklagten – die Deutsche Telekom, die Bundesrepublik Deutschland, die KfW und eine in den Ausgangsverfahren verklagte Konsortialbank – haben das Vorliegen eines Prospektfehlers in Abrede gestellt und sich auf Verjährung berufen. Das OLG hat über die ihm durch mehrfach berichtigten und ergänzten Vorlagebeschluss des Landgerichts vorgelegten Fragen und über die mit Erweiterungsbeschluss des OLG einbezogenen Feststellungsziele durch Musterentscheid vom 03.07.2013 entschieden. Einen Prospektfehler hat es nicht festgestellt. Feststellungen hat es lediglich zu Teilaspekten, wie zur Prospektverantwortlichkeit der Deutschen Telekom, zu Verjährungsfragen, zur Darlegungs- und Beweislast und zum Adressatenkreis des Prospekts getroffen.

BGH: Prospektfehler zu Recht verneint

Gegen den Musterentscheid haben 36 Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt. Der BGH hat jetzt entschieden, dass das OLG die gerügten Prospektfehler zu Recht verneint hat. Insbesondere berichte der Prospekt zutreffend und vollständig über das Immobilienvermögen der Deutschen Telekom mit mehr als 12.000 Grundstücken und etwa 33.000 baulichen Anlagen. Aufgrund einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung sei das OLG rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Wert des Immobilienvermögens im Prospekt nicht wesentlich zu hoch angegeben worden war. Der Prospektfehler, den der Elfte Zivilsenat in dem anlässlich des "dritten Börsengangs" der Deutschen Telekom im Jahr 2000 herausgegebenen Verkaufsprospekt festgestellt hat (BeckRS 2014, 22871), betreffe einen zeitlich nachfolgenden Geschäftsvorfall, der im hier verfahrensgegenständlichen Prospekt zum "zweiten Börsengang" noch keine Rolle gespielt habe.

Weitere Feststellungen des OLG aufgehoben

Damit stehe für alle Ausgangsverfahren bindend fest, dass aus den betreffend den Prospekt des "zweiten Börsengangs" gerügten Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten keine Prospekthaftungsansprüche gemäß §§ 45 ff. BörsG a.F. in Verbindung mit § 13 VerkProspG a.F. und keine deliktischen Schadenersatzansprüche hergeleitet werden können, betonte der BGH. Auf weitere Fragen zur Darlegungs- und Beweislast, zur Verjährung, zum Adressatenkreis des Prospekts und zur Aktivlegitimation, die dem OLG zur Vorabentscheidung vorgelegt worden waren und zu denen es ebenfalls Feststellungen getroffen hat, werde es in den Ausgangsverfahren daher nicht mehr entscheidungserheblich ankommen. Aus diesem Grunde hat der Elfte Zivilsenat die dazu getroffenen Feststellungen auf die Rechtsbeschwerden der Beigeladenen und die Anschlussrechtsbeschwerde der Deutschen Telekom aufgehoben und den Vorlagebeschluss insoweit für gegenstandslos erklärt.

BGH, Beschluss vom 22.11.2016 - XI ZB 9/13

Redaktion beck-aktuell, 1. Februar 2017.