Anhörung: Experten sehen Korrekturbedarf bei der Rentenangleichung

Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Anpassung des Rentenwertes in Ost und West bis zum Jahr 2025 (BT-Drs.:18/11923). Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 15.05.2017 deutlich, bei der auch über Anträge der Fraktion Die Linke (BT-Drs.:18/10862) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bt-Drs.:18/10039) beraten wurde.

Regierungsentwurf sieht Angleichung des Rentenrechts in Ost und West vor

Der Regierungsentwurf sieht die Angleichung des bisher unterschiedlichen Rentenrechts in Ost und West in sieben Schritten vor. In einem ersten Schritt soll der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 01.07.2018 auf 95,8% des Westwertes angehoben werden. Die Bezugsgröße (Ost) und die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) sollen zum 01.01.2019 an die Höhe des jeweiligen Westwertes angenähert werden und diesen bis zum 01.01.2025 vollständig erreicht haben. In weiteren Schritten soll der Verhältniswert zwischen aktuellem Rentenwert (Ost) und dem Westwert jedes Jahr um 0,7 Prozentpunkte angehoben werden, bis der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 01.07.2024 die Höhe des Westwertes erreicht hat. Ab diesem Zeitpunkt soll dann im gesamten Bundesgebiet nur noch ein einheitlicher Rentenwert gelten. Die Hochwertung der ostdeutschen Einkommen für die Rentenberechnung soll ab Januar 2025 vollständig entfallen. Bis Ende 2024 hochgewertete Verdienste bleiben erhalten.

Experte fordert Vorziehen der Rentenanpassung

Der Einzelsachverständige Professor Eckart Bomsdorf machte darauf aufmerksam, dass zum 01.07.2017 der Rentenwert Ost bereits 95% des Westwertes erreichen wird, was fast dem Wert entspreche, der laut dem Gesetzentwurf erst Mitte 2018 erreicht werden soll. Die gesetzliche Regelung könne daher zu einer Verschlechterung der Situation der Ostrentner führen, sagte Bomsdorf. Zur Lösung des Problems forderte er, die für 2019 bis 2024 vorgesehene Anpassung auf die Jahre 2018 bis 2023 vorzuziehen. Außerdem solle eine Mindestbegünstigungsklausel aufgenommen werden. Auch die AWO hält es für vertretbar, die Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) schneller zu vollziehen als den Abbau der sogenannten Hochwertung von Ostrenten.

DGB bewertet Aussetzung der Höherbewertung ostdeutscher Löhne kritisch

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) machte darauf aufmerksam, dass die "systemisch folgerichtige" Aussetzung der Höherbewertung ostdeutscher Löhne trotz der Anhebung des Rentenwertes negative Auswirkungen auf das Rentenniveau haben könne, da auch in den nächsten Jahren mit erheblichen Differenzen im Lohnniveau Ost und West zu rechnen sei. Grund dafür sei, dass es in vielen Bereichen Ostdeutschlands tariffreie Zonen gebe, weil sich viele Arbeitgeber "aus der Verantwortung stehlen und tarifflüchtig sind". Auch Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung Bund hält ein Vorziehen der Anpassung des Rentenwerts für denkbar.

Arbeitgeber sehen systematische Benachteiligung der Beitragszahler

Bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bewertet man das anders. Eine Höherwertung der Ost-Löhne müsse bei Angleichung des Rentenwertes entfallen, weil es sonst zu einer systematischen Benachteiligung der Beitragszahler in den alten Bundesländern komme, sagte BDA-Vertreter Alexander Gunkel. Im Übrigen sei es so, dass es inzwischen keine so großen Lohnunterschiede zwischen alten und neuen Bundesländer mehr gebe wie zwischen anderen Regionen. Eine systematische Höherbewertung der Ost-Löhne sei nicht mehr gerechtfertigt.

Anhaltend positive Wirtschaftslage lässt Tarifsteigerungen erwarten

Aus Sicht des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) seien in den nächsten Jahren vor dem Hintergrund der anhaltend positiven Wirtschaftslage Tarifsteigerungen in Ost und West zu erwarten, sagte ZDH-Vertreterin Marlene Schubert. Mit einer weiteren Angleichung der Löhne zwischen Ost und West sei auch angesichts der höheren Tarifabschlüsse im Osten zu rechnen, betonte sie. Lohnspreizungen gebe es auch in Westdeutschland, sagte Bodo Aretz vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Aretz sagte weiter, für 2017 werde im Osten mit einem durchschnittlichen Bruttojahresentgelt gerechnet, das bei 89% des Wertes im Westen liege.

Redaktion beck-aktuell, 16. Mai 2017.