LG München I: Kostentragungspflicht bei Klagerücknahme - Anlass zur Erhebung einer Räumungsklage

ZPO § 269 III; BGB §§ 543 II, 546 I

1. Zur Kostentragungspflicht eines vorschnell auf Räumung klagenden Vermieters.

2. Ein Mieter gibt nicht schon deshalb Anlass zu Erhebung einer Räumungsklage, weil er in einen kündigungsrelevanten Zahlungsrückstand gerät. Kündigt in einem solchen Fall der Vermieter erstmals in der Klageschrift fristlos wegen Zahlungsverzugs, und erfüllt der Mieter daraufhin unverzüglich seine Räumungsverpflichtung, so hat der Vermieter im Falle der Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

LG München I, Beschluss vom 06.02.2017 - 14 T 20725/16 (AG München), BeckRS 2017, 107147

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwältin Nicola Bernhard
Rechtsanwälte Bub, Gauweiler & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 09/2017 vom 11.5.2017

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Sachverhalt

Die Klägerin erhob unter dem 22.06.2016, eingegangen beim AG München per Telefax am gleichen Tag, Klage auf Räumung und Herausgabe einer vom Beklagten innegehaltenen Mietwohnung. Hintergrund der Räumungsklage war eine zugleich in der Klageschrift ausgesprochene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs, da der Beklagte mit den fälligen Mieten für die Kalendermonate Mai und Juni 2016 in Verzug geraten war. Die rückständigen Mieten i.H.v. 980 EUR wurden gleichzeitig mit der Räumungsklage anhängig gemacht.

Eine beglaubigte Abschrift der Klageschrift mit der zugleich ausgesprochenen fristlosen Kündigung wurde den Beklagten zeitgleich mit Einreichung der Klageschrift am 22.06.2016 per Boten zugestellt. Am 30.06.2016 - mithin 8 Tage nach Einreichung der Klageschrift - zog der Beklagte aus der Mietwohnung aus und gab sie ordnungsgemäß und vollständig geräumt an die Klagepartei heraus. Am 20.07.2016 bezahlte die Klägerin den Gerichtskostenvorschuss für das Räumungsverfahren i.H.v. 552 EUR zu Gunsten der Staatskasse ein, woraufhin das AG mit Verfügung vom 27.07.2016 ein schriftliches Vorverfahren anordnete und zugleich die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten verfügte. Wegen des mittlerweile erfolgten Umzugs und einer Adressänderung des Beklagten konnte die Zustellung der Klageschrift aber erst am 15.09.2016 bewirkt werden.

Mit Schriftsatz vom 27.09.2016 nahm die Klägerin die Klage zurück. Daraufhin legte das AG München mit Beschluss vom 27.10.2016 die Kosten des Rechtsstreits zu 83 % der Klagepartei und zu 17 % dem Beklagten auf. Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 31.10.2016 zugestellten Beschluss legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.11.2016 sofortige Beschwerde ein. Das AG verfügte mit Beschluss vom 01.12.2016 die Nichtabhilfe und legte die Akten dem LG München I zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vor. Wegen eines Rechenfehlers wurde der Beschluss vom AG am 07.12.2016 auf die Quoten von 86 % zu 14 % korrigiert.

Rechtliche Wertung

Die statthafte und auch i.Ü. zulässige Beschwerde der Klägerin erweist sich im Ergebnis als unbegründet.

Nach dem Grundsatz des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ist im Fall der Klagerücknahme der Kläger verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Nur ausnahmsweise bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wird. Ein solcher Anlass zur Klageerhebung liegt indes nur dann vor, wenn das Verhalten des Beklagten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden und ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage so war, dass der Kläger annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen.

Auch wenn der Beklagte die insoweit rückständigen Mieten noch vor Zustellung der Klage ausgeglichen hatte, hat er wegen des eingetretenen Zahlungsverzugs Anlass zur Klageeinreichung gegeben. Im Verhältnis zum Wert des Räumungsanspruches gem. § 41 Abs. 2 GKG hat er daher insoweit 14 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die diesbezügliche Entscheidung des AG ist zutreffend und wurde mit der Beschwerde auch nicht angegriffen.

Hinsichtlich des Räumungsanspruches ist zunächst festzuhalten, dass ein Verzug des Beklagten bei Klageeinreichung nicht vorlag. Auch i.Ü. liegt aber ein Anlass zur Klageeinreichung i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht vor.

§ 546 Abs. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut begriffsnotwendig - jedenfalls bei einem wie hier unbefristeten Mietverhältnis - den Zugang einer wirksamen Kündigungserklärung bei einer Partei voraus. Da die auf Zahlungsverzug gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a und b BGB gestützte Kündigung dem Beklagten jedoch erst zeitgleich oder zeitlich nachfolgend mit Einreichung der Klageschrift beim AG München zuging, lag bei Einreichung der Klage ein Verzug des Beklagten mit seiner Räumungsverpflichtung aus § 546 Abs. 1 BGB offensichtlich nicht vor. Damit hat er nicht schon aus §§ 280, 284, 286 BGB Veranlassung zur Klageerhebung hinsichtlich der Räumungsklage gegeben.

Auch i.Ü. hatte der Beklagte aber aus objektiver Sicht keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Vorliegend wurde erstmals in der Klageschrift vom 22.06.2016 gekündigt und der Beklagte ist innerhalb von 8 Tagen und damit noch innerhalb der ihm zuzubilligenden Ziehfrist ausgezogen.

Im Ergebnis entspricht es daher auch billigem Ermessen, dem Vermieter und Kläger die Kosten nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO tragen zu lassen, weil der Beklagte keine Veranlassung zur Erhebung einer Räumungsklage gegeben hat.

Praxishinweis

In der Praxis hat der Vermieter von Geschäftsraum ein beachtliches Interesse daran zu erfahren, ob der Mieter seine Räumungsverpflichtung fristgerecht erfüllt, insbesondere im Hinblick auf mit der Weitervermietung zusammenhängende Maßnahmen. Ob der Vermieter einen Anspruch auf eine solche Erklärung hat – so Henssler (NJW 1989, 138, 143) – ist obergerichtlich bisher nicht entschieden. Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 07.05.1999 – 5 W 16/99, NZM 2000, 95; ebenso LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.06.2008 - 7 O 4785/08, NJOZ 2008, 4820; a.A. LG Berlin, Urteil vom 01.02.2010 - 12 O 509/09, BeckRS 2010, 06788) hat aber einem Gewerberaummieter, der eine solche Anfrage nicht beantwortet hat und daraufhin auf künftige Räumung verklagt wurde, trotz eines sofortigen Anerkenntnisses in einem Termin zur mündlichen Verhandlung, der vor Beendigung des Mietverhältnisses lag, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ob dies auch für Wohnraummietverhältnisse gilt, hat das OLG Stuttgart (Beschluss vom 07.05.1999 – 5 W 16/99, NZM 2000, 95) ausdrücklich offen gelassen.

Für die Erhebung einer Räumungsklage (auf künftige Räumung) besteht – wie vorliegend - dann subjektiv keine Veranlassung, wenn der Mieter vor deren Erhebung ankündigt, zu einem Termin räumen zu wollen, welcher derart kurz hinter dem Zeitpunkt der Einreichung der Räumungsklage liegt, dass der Vermieter vernünftigerweise nicht davon ausgehen kann, dass die sofortige Einleitung des gerichtlichen Räumungsverfahrens ihn seinem Ziel der tatsächlichen Räumung näher bringt. In diesem Sonderfall ist es dem Vermieter zuzumuten, den angekündigten Räumungstermin abzuwarten (so OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 21.12.2005 - 2 W 84/05, NZM 2007, 340 mit Anm. Bub/Bernhard, FD-MietR 2006, 200519). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vermieter konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Mieter die angekündigte Räumung nicht durchführen wird (OLG Dresden, Beschluss vom 25.11.2014 – 5 W 1310/14, NJW 2015, 497).

Redaktion beck-aktuell, 12. Mai 2017.