Leichenschau ist kein öffentliches Amt
Lorem Ipsum
© jarun011 / stock.adobe.com

Wer durch eine möglicherweise falsche Diagnose eines Leichenbeschauers einen Vermögensschaden erleidet, kann diesen nicht im Rahmen der Amtshaftung geltend machen. Das Oberlandesgericht Köln sieht in der Ausstellung der Todesbescheinigung keine hoheitliche Aufgabe, weil potenziell jeder Arzt eine Leichenschau durchführen müsse und er dafür auch keine Gebühr erhebe, sondern vergütet werde. Dieser Dienst an der Allgemeinheit sei nicht mit der Tätigkeit eines Durchgangsarztes vergleichbar.

Toter hatte Lassafieber, nicht Malaria

Ein Amerikaner hatte bei seinem Rückflug von Togo über Deutschland nach Amerika Symptome einer schweren Malariaerkrankung und wurde in ein Kölner Krankenhaus eingeliefert. Seine Blutproben wurden unverzüglich ins Institut für Tropenmedizin geschickt, damit die Krankheitsursache bestimmt werden konnte. Am selben Tag verstarb er. Die Klinik führte die Obduktion durch und stellte den Totenschein aus. Dabei bejahte sie die Frage nach einer Infektionskrankheit, verneinte aber die Notwendigkeit besonderer Verhaltensmaßregeln für das Bestattungspersonal. Die Ärzte waren – entsprechend ihrer Diagnose – nicht von einem Infektionsrisiko ausgegangen, weil Malariaparasiten nur über das Blut übertragen werden. Der Leichnam wurde anschließend von einer Firma, die ihn nach Togo überführen wollte, vorbereitet. Drei Wochen nach dem Tod ergab die Blutuntersuchung, dass der Amerikaner am hochinfektiösen Lassafieber gelitten hatte. Die durch die zunächst unzutreffende Diagnose veranlassten Mehrkosten (unter anderem Quarantäne einer Mitarbeiterin und Verwendung eines Spezialcontainers) verlangte die Firma vom Land Nordrhein-Westfalen erfolglos vor dem LG Köln zurück. Auch Ansprüche gegen das Klinikum scheiterten. Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

Leichenschau ist keine staatliche Aufgabe

Ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG scheitert nach Ansicht der Kölner Richter bereits daran, dass die Ärzte in Durchführung der Leichenschau kein öffentliches Amt ausüben. Nach § 9 des nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetzes müsse an Verstorbenen die Leichenschau durchgeführt werden: Stürben sie im Krankenhaus, übernähmen die dortigen Ärzte diese Aufgabe, stürben sie zu Hause, seien die von den Angehörigen herbeigerufenen Ärzte dazu verpflichtet. Dieser Dienst im Allgemeininteresse, der potenziell von allen Medizinern verrichtet werden müsse, sei nicht mit einem Durchgangsarzt oder dem TÜV vergleichbar. Für diese Ansicht spreche auch, dass der Leichenbeschauer für diese Tätigkeit eine Vergütung – aber keine Gebühr – erhalte. Außerdem sehe das Bestattungsgesetz eine Geldbuße für die Verletzung der Vorschrift vor, die auch nur bei "Jedermannspflichten" verhängt werden könne. Davon abgesehen sei aber auch keine Pflichtverletzung der Beteiligten erkennbar. Die Bescheinigung habe unmittelbar erstellt werden müssen. Der – nicht nahe liegende – Verdacht auf Lassafieber sei ein "Glücksfall" gewesen und dem Sonderwissen eines später hinzugezogenen Arztes zu verdanken.

OLG Köln, Urteil vom 09.09.2021 - 7 U 11/19

Redaktion beck-aktuell, 22. September 2021.